Mein Redetext:
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger
Wir treffen uns heute nicht wie gewohnt im Saalbau der Waldorfschule um zu erleben, wie Schülerinnen und Schüler die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz und den damit verbundenen Holocaust verarbeiten. In den letzten Jahren haben wir sehr bewegende Veranstaltungen erleben können, die noch lange nachwirkten. Pandemiebedingt haben die Verantwortlichen aus der Politik, dem Rathaus, aus den weiterführenden Schulen und aus der Kultur diese Veranstaltung auf den 8. Mai, den Tag der Befreiung von den Nationalsozialisten verlegen müssen.
Mein Dank geht an den VVN – BdA, an ver.di, an die Linke und an die DKP, die heute zu einer Kundgebung am Alten Markt aufgerufen haben.
Seit 25 Jahren gedenken wir der Befreiung von Auschwitz am 27. Januar.
Dieser Tag ist als Gedenktag den Opfern des Nationalsozialismus gewidmet.
In Elmshorn trägt der Tag den Zusatz „Gegen das Vergessen“.
Auch ein Vierteljahrhundert nach der Initiative des damaligen Bundespräsidenten, Roman Herzog, müssen wir uns fragen lassen, ob es in den zurückliegenden Jahrzehnten an Aufklärung, Erinnerung und Gedenken gefehlt hat?
An Universitäten, in Schulen, Gedenkstätten, Medien, in kirchlichen, gewerkschaftlichen und politischen Gruppierungen wird kontinuierlich erinnert, aufgeklärt und verarbeitet.
Und ja: wir müssen immer und immer wieder an die Gräueltaten der Nazis, an den Holocaust erinnern.
Zeitzeugen gibt es immer weniger.
Damit die Erinnerung auch in der Zukunft lebendig bleibt, braucht es uns, die nicht nachlassen. Auf tagesschau.de war heute zu lesen:
„Die zweite Generation, die dritte Generation – und nicht nur diejenigen, die von Überlebenden abstammen – jeder hat die Verantwortung, diese Erinnerung zu nutzen, der Geschichte gegenüber verantwortlich zu handeln und für das einzustehen, was richtig ist.“
An dieser Stelle wiederhole ich ein paar Worte, die ich schon einmal während einer Veranstaltung gegen das Vergessen in der Waldorfschule gewählt habe, und die noch genauso aktuell sind wie 2019:
„Heute gedenken wir der Befreiung von Auschwitz vor 76 Jahren. Das tun wir nicht als persönlich Schuldige.
Aber aus der Schuld heraus, die Deutsche in den zwölf Jahren der NS-Diktatur auf sich geladen haben, erwächst uns nachfolgenden Generationen eine besondere Verantwortung. Uns allen.
Nicht weil Geschichte sich wiederholt – das tut sie nie -, sondern weil an Auschwitz einfach gar nichts normal ist.
Geschichte verläuft weder zufällig noch zwangsläufig. Was heute unsere gemeinsame Vergangenheit ist, haben Menschen früher als ihre eigene Gegenwart gestaltet, im Guten wie im Bösen.
Am 30. Januar jährt sich der Tag der Machtergreifung von Adolf Hitler zum 89. Mal.
Binnen kurzem gelang den Nationalsozialisten die Zerstörung der ersten Deutschen Demokratie. Nun konnten sie ihre mörderische Rassenideologie politisch umsetzen – auch in Elmshorn.
Das darf sich niemals wiederholen!
Unsere – die Elmshorner Geschichte – ist unter anderem in den Beiträgen zur Elmshorner Geschichte eindrucksvoll dokumentiert. Der Band – Polizei in Elmshorn – zeugt eindrücklich auch von der Gleichschaltung öffentlicher Ämter, die schließlich auch die Reichspogromnacht ermöglichte.
Aus Elmshorn sind damals nicht nur unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, sondern auch Sozialdemokraten und Kommunisten, Homosexuelle, Sinti und Roma, Jehovas Zeugen und viele weitere Andersdenkende in die Konzentrationslager verschleppt worden.
Eines davon war das KZ Esterwegen, in dem das vielleicht vielen bekannte Lied von den Moorsoldaten entstand.
Elmshorn hat – vielleicht gerade auch wegen der Ereignisse in der NS-Zeit – eine sehr lange Tradition im „Kampf gegen Zwang und Unterdrückung“ und wir sind stolz auf die Integration anders Denkender.
Wir sind stolz darauf, dass hier am 6. Mai 1945 der Nazi-Bürgermeister von einem Bündnis der Antifaschisten unter dem Sozialdemokraten Erich Arp und dem Kommunisten Arthur Geissler eigenständig abgesetzt wurde, bevor die britische Armee in die Stadt einzog.
Dreimal haben wir in einem breiten Bündnis aus der Bevölkerung heraus Neonazis die Stirn geboten. Das war Anfang der 2000er Jahre.“
Ich möchte noch auf ein paar aktuelle Ereignisse eingehen.
Uns muss es darum gehen, den rechten Gruppierungen entschieden entgegenzutreten, mit demokratischen Mitteln.
In Thüringen wurde versucht mit den Stimmen der AfD einen Ministerpräsidenten der FDP einzusetzen.
In Sachsen-Anhalt gelang es mit den Stimmen der AfD die Erhöhung des Rundfunkbeitrages zu kippen.
Beides Ereignisse der letzten Zeit, bei denen die konservativen Kräfte offenbar vergessen haben, dass sie es mit dem Wolf im Schafspelz zu tun haben.
Vergessen dürfen wir auch nicht die Ereignisse in Halle, die rechte Hetze gegen Plakate unseres Weihnachtsmarktes und die damit verbundene Bedrohung unseres Bürgermeisters.
Bei diesen Beispielen will ich es für heute belassen.
Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, eines Tages keinen Grund mehr zu haben auf derartige Ereignisse eingehen zu müssen.
Die Hoffnung stirbt zuletzt, die Erinnerung aber bleibt.